Kurzgeschichte: Fairness ist etwas für die Reichen
Anbei eine Kurzgeschichte, die ich vor einigen Jahre geschrieben habe.
Pedro saß in der sengenden Abendsonne auf seiner Veranda. Schweiß rann ihm die Stirn hinab, baumelte an seiner Augenbraue und schlug nach einem kurzen Flug auf dem Boden auf. Seine baufällige Hütte knarrte leicht im auffrischenden Abendwind. Mühselig raffte er sich auf und zog sich auf die Beine. Jede einzelne Faser seines Körpers sendete ihm ein Warnsignal über sein Nervensystem, das es Zeit zu ruhen war. Er schlurfte von der abenteuerlich zusammengezimmerten Bank auf seiner Veranda zur Terrassentür, die lediglich aus einem löchriges Fliegengitter bestand. Pedro zog das klapprige Gebilde vor, schlüpfte hindurch und zog sie dicht an ihren Rahmen zurück. Sein Weg führte ihn direkt in die offene Küche seiner kärglichen Hütte. Sein Blick schweifte über unruhige Landschaft seiner Küche. Die Szenerie wurde von Geschirrbergen, Essensreste und leeren Flaschen geprägt, die sehnsüchtig darauf warteten, von ihm beseitigt zu werden. Mit einem tiefen Seufzer zog er an der alten Kühlschranktür, die mit einem Lauten *knack* zwar nicht öffnete, ihm aber dafür den losen Griff in die Hand drückte. Er fluchte. Hatte es denn nie ein Ende? Jeden Tag die Schufterrei in verschiedenen Jobs, denn in Mexiko war es nicht einfach, ohne Ausbildung eine faire Bezahlung zu erhalten. Deshalb arbeitete Pedro direkt in mehreren Jobs, um seiner Exfrau und seine beiden Söhne ein gutes Auskommen zu ermöglichen. Nach einer kurzen Bedenkzeit, in der er trübselig den Griff des Kühlschranks in seiner Hand betrachtete, warf er ihn achtlos zu dem Geschirr in die Spüle und zog den Kühlschrank auf um nachzusehen, ob nicht noch eine Kleinigkeit zu finden war. Leer. Bis auf ein altes Stück Käse, das seine Exfrau gekauft hatte. Es lag ein halbes Jahr seit der Trennung von Maria im Kühlschrank und verströmte einen würzigen Duft. Genervt warf er den Kühlschrank zu. Dieser beschwerte sich lautstark mit einem Scheppern und Klirren über den ungehobelten Umgang.
Pedros Magen knurrte wie ein Bär, als er in der warmen goldenen Abendsonne über den rissigen Asphalt zu der nächsten Tankstelle schlenderte. Hier und da begrüßte ihn ein Nachbar, winkte fröhlich, aber drehte sich dann um oder ging seinem Tagewerk weiter nach. Seine müden Beine stapften tapfer weiter. Bis er die verwahrloste Tankstelle erreicht hatte. Von vier Zapfsäulen waren drei lange außer Betrieb. An der letzten hatte der Tankwart die Uhr zu seinen Gunsten justiert. Zwanzig Dollar war der Basispreis, auch wenn man nur wenige Liter für sein Fahrzeug benötigte. Er stieß schwungvoll die dreckige Glastür zum Shop der Tankstelle auf und trat in den kühlen klimatisierten Raum ein. Er atmete tief durch und konnte die kühle Luft bis tief in die Kehle spüren. Viel Auswahl für ein Abendessen gab es hier nicht. Burritos, Fertigbrötchen und ein paar Würstchen schien von alldem was der Laden zu bieten hatte, das einzig essbare zu sein. Er schritt an der Getränkestation vorbei, auf der ein zäh wirkender Orangensaft in einem Glasbehälter hin und her gepumpt wurde. An der Kasse hob der wortkarge Tankwart die Hand zum Gruß, scannte Pedros kümmerlichen Einkauf und brummte *Fünf Dollar*. Pedro kramte aus seiner Tasche einige Pennys zusammen. Er hielt einen Moment inne und blickte auf den kleinen Fernseher, auf dem der Tankwart die meiste Zeit Soaps schaute, während er auf Kundschaft wartete. Heute liefen die Nachrichten. Donald Trump, 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hielt eine Rede über eins seiner Lieblingsthemen. Den Mauerbau zu Mexiko. Der Präsident, der vor seiner Amtszeit ein Milliardenschweren Konzern leitete, forderte einen Mauerbau zu Mexiko, um Kriminalität und Flüchtlinge zu bekämpfen. Und davon nicht genug: *Mexiko soll die Mauer bezahlen*. Pedro lugte auf sein kärgliches Abendmal und lächelte schief. Was soll ich essen, wenn wir noch eine milliardenschwere Mauer bezahlen sollten? Der Tankwart klopfte ungeduldig gegen die offene Schublade seiner Registrierkasse und Pedro sammelte weiter fleißig sein Kleingeld zusammen. Dutzende Pennys später ging er hinaus und setze sich auf den Bordstein der Strasse. Das Brot hatte eine Konsistenz wie Industrieschaumstoff und blieb ihm fast im Halse stecken. Fairness ist etwas für die Reichen.